Visitationsreise Feb. 2020
persönlicher Erfahrungsbericht
von Tanja Widmann (Kassiererin)
von Tanja Widmann (Kassiererin)
Wenn meine Freundin Michaela von Ihren Reisen nach Afrika erzählte hörte ich wie gebannt zu und tauchte in Ihre Geschichten ein, wie in einem spannenden Buch über ein fernes Land, welches mich in seinen Bann gezogen hat. Ich bewunderte sie für ihren Mut und hätte weiß Gott niemals auch nur im Traum daran gedacht, dass ich auch mal in den Genuss kommen würde von solch einem Abenteuer erzählen zu können.
Schon immer war ich weltoffen für Neues und irgendwie wollte ich mich auch immer schon an einer „guten Sache“ beteiligen. Nur an was? Wie so oft verstreichen die Jahre und man hat den Schritt dann doch nicht gewagt, sei es aus Unsicherheit oder aus Bequemlichkeit sich nicht die Zeit zu nehmen intensive Recherchen zu betreiben um das Richtige zu finden.
Michaela erzählte mir nicht nur ihre Erfahrungen sondern fragte mich auch des öfteren nach meiner Meinung. So kam es, dass ich mich immer mehr mit den Schicksalen und ihrem, in der Gründungsphase befindenden Verein, auseinander setzte. Nur greifen konnte ich das Ganze noch nicht so richtig.
Mein wirkliches Interesse weckte allerdings ein Urlaub. Im Dezember 2019 buchte ich mit meinem Bruder kurzfristig einen Pauschalurlaub nach Gambia. Zu Beginn unserer Reise fuhren wir mit einem Bus voller Touristen zum Hotel. Während dieser Fahrt sahen wir das „reale Gambia“ mit den Menschen, der Infrastruktur und der Armut. Alle im Bus waren schockiert. Im Hotel angekommen bekamen wir dann unser westliches Feeling. Palmen, Liegen und Luxus pur. Die meisten vergaßen schon nach wenigen Minuten die Fahrt und das Gesehene und gaben sich bedingungslos ihrem Urlaub hin. Das Verhalten der meisten Urlauber schlug uns schwer auf den Magen. Es wurde sich beschwert über Lappalien und die Mitarbeiter, welche wahnsinnig engagiert, freundlich und zuvorkommend waren, wurden wie bedienstete behandelt. Beim Buffet wurde sich zu viel aufgeladen und das ganze restliche Essen liegen gelassen. Wir waren entsetzt über dieses Verhalten. Diesen Urlaub nutzten wir auch um mit den Angestellten, welche einheimisch waren, ins Gespräch zu kommen. Ich weiß nicht wann ich zuletzt so herzliche und offene Menschen erlebt habe. Sie erzählten uns über Ihre Kultur, die Bräuche und das tägliche Leben, welches mir persönlich eine ganz andere Sichtweise über unseren Standard und unseren Luxus gab.
Zurück in Deutschland veränderte sich bei mir so einiges. Mir wurde bewusst in welchem Überfluss ich lebte und der Drang sich zu engagieren wuchs kontinuierlich. Ich beschloss mich intensiver mit der Entwicklungshilfe auseinander zusetzen und intensiver in den Verein meiner Freundin hineinzuarbeiten.
Anfang Januar erzählte mir Michaela, dass sie im Februar erneute nach Kenia reisen werde, um sich ein Bild der aktuellen Lage vor Ort zu machen. Sie bot mir an sie zu begleiten. Nach anfänglicher Skepsis und Furcht vor dem was alles passieren könnte, wuchs bei mir aber auch das Interesse. Die Chance miteinzutauchen und alles selbst zu sehen und vor allem auch alles gehörte nachzuvollziehen zu können. Ich erhielt von meinen nahestehenden Personen und Familie Rückenwind und rief kurzer Hand Michaela an: „Michaela, ich komme mit“
Und kurze Zeit später ging es los. Mit dem Gepäck voll gespendeter Schultaschen und alten Handy`s kamen wir am Münchner Flughafen an. Ich war schon in 21 Ländern und bin viel gereist, doch noch nie fühlte ich solch eine Spannung und Aufregung vor einer Reise. Auch für Michaela, die schon öfter nach Kenia gereist ist war es wohl jedes Mal wieder erneut aufregend.
„Es ist jedes Mal komplett anders und du weißt nie was dich erwartet. Doch alles was dort passiert fügt sich in Kenia und hat einen Sinn“
Sie erzählte mir von Momenten als mal der Flughafen abgebrannt ist und sie in einem Zelt unter einem Baum übernachtete. Doch immer alles seinen Lauf nahm und die Menschen dort sehr herzlich und hilfsbereit waren. Wie immer lauschte ich ihren Geschichten, gespannt und doch mit ein wenig Anspannung, ich konnte mir noch immer kein Bild machen was mich gleich erwartete.
Nach 10 Stunden Flug kamen wir erschöpft in Kenia bzw. Nairobi an und es war wie ein Aufwachen in einem anderen Leben. Das warme Klima die Menschen und die Infrastruktur. Unvergleichbar mit dem gewohnten und doch irgendwie faszinierend. Glücklich darüber, das Michaela gleich das Zepter in die Hand nahm und uns ein Taxi organisierte um zu der großen Busstation in Nariobi zu gelangen. Zugegeben an das Getümmel dort musste ich mich erst mal gewöhnen und ich war sichtlich überfordert. Von Nairobi ging es dann in einer 8-Stündigen Busfahrt auf nach Kisumu.
Doch mit dem erhofften Schlaf sollte es vorerst nichts werden. Der Bus war alt, was nicht störte doch wir ergatterten in der letzten Reihe die mittleren Plätze. Wir konnten uns nur schwer festhalten und die Schlaglöcher in den unebenen Straßen ließen uns immer wieder in die Höhe fliegen. Mit lauter afrikanischer Musik fuhren wir quer durch das Land. Eine fremde Welt mit viel Natur offenbarte sich mir. Die Regenzeit war gerade vorrüber und so zeigte sich Kenia von seiner schönsten Seite.
Als wir in Kisumu unserem Zielort ankamen, waren wir völlig übermüdet. Zum Glück hatte Michaela vorab einen bekannten Fahrer engagiert der uns vom Busbahnhof in das Mutter-Kind-Haus brachte, welches sich in einem Slum im äußeren Stadtteil von Kisumu befand. Wieder erhielt ich Eindrücke über dieses Land und die Gegend im Slum glich den Bildern, die man sonst nur aus Repotagen aus dem TV kennt.
Straßen ohne Asphalt, Wellblechdächer, Häuser aus Lehm, viele Menschen, spielende Kinder, freilaufende Tiere und Armut….
Doch dennoch umgab mich ein wohliges Gefühl und die anfängliche Skepsis und Angst verflog immer mehr.
Das Mutter-Kind- Haus befand sich hinter einem hohen Tor welches Fremde vor Eindringen schützen sollte. Wir erhielten einen wahnsinnig freundlichen Empfang von unserer Managerin Lavender und der PflegemutterJennipher. Für einen kurzen Moment vergaßen wir die Erschöpfung und freuten uns endlich angekommen zu sein. Die anwesenden Mädchen stellten sich mir noch etwas verhalten vor und wir konnten bei einem typisch afrikanischen Tee, der aus viel Milch und Zucker besteht, runterkommen und uns erholen.
Das Haus war nicht sehr groß und der vorhandene Platz wurde vollkommen genutzt. Zwei der Zimmer waren komplett zugestellt Stockbetten für die Mädchen. Zusätzlich gibt es noch eine Küche, einen Aufenthaltsraum.
Lavender und Michaela von allen hier liebevoll „Micky“ genannt besprachen was in dem nächsten Tage alles anstand. Ich bekam schon eine leise Vorahnung, dass die nächsten Tage alles andere als erholsam werden würden. Doch ich war voller Vorfreude über alles was ich erleben durfte. Völlig übermüdet fiel ich in eines der Stockbetten und schlief ein.
Am nächsten Tag wurden wir durch eine Geräuschkulisse geweckt. Das gesamte Haus war irgendwie lebendig alle Mädchen, welche nicht in der Schule waren, werkelten. Sie putzen den Boden, wuschen Kleidung oder bereiteten Essen zu. Beim Frühstücken informierte Lavender Michaela über den Tod ihrer Tante und lud uns gleichzeitig zu deren Beerdigung ein. Ich war im ersten Moment etwas schockiert, bei uns ist es einfach nicht üblich zu fremden Beerdigungen zu gehen. Doch Lavender winkte ab und erzählte uns das dies absolut normal sei und sie sich darüber freuen würde.Eine Stunde später fuhren wir mit den Motorbikes quer durch den „Dschungel“. Es war das erste Mal für mich auf einem Motorrad und das auch noch zu dritt ohne Helm. Die anfängliche Skepsis und Ängstlichkeit verlor ich nach wenigen Minuten. Der Wind in meinen Haaren, die Wärme und die Afrikanische Luft gaben mir ein befreiendes Gefühl welches ich vorher noch nicht kannte. Kinder rannten uns freudig hinterher, winkten und riefen aufgeregt „Mosungo“. Später fragte ich Lavender was dies bedeutete und sie antwortete schmunzelnd „Weiße“. Michaela erklärte mir, dass wir in dieser Region für einige die ersten weißen Menschen sind. Tatsächlich war dieses Wort nicht negativ gemeint und für die Menschen absolut kein Tabu dies auszusprechen.
Nach gut einer Stunde Fahrt quer durch die Prärie kamen wir bei Lavenders Verwandten an. Es handelte sich um eine muslimische/christliche Beerdigung. Lavender selbst ist Christin wie ich von Michaela erfuhr. Um ehrlich zu sein war es mir im ersten Moment wahrlich unangenehm und ich versteckte mich hinter Lavender und Michaela. Wieder überraschte mich meine Freundin, sie ging mit solch einer Souveränität auf die Menschen dort zu und fand immer die passenden Worte. Ich merkte wie gut Michaela mittlerweile die afrikanische Kultur und die Menschen kannte, was mir alles ungemein erleichterte. Lavender stellte uns ihre Oma vor und diese fragte uns ob wir ihre Tochter sehen möchten. Ich realisierte erst als ich im Hause vor einem Leichnam stand, dass sie die verstorbene Tochter meinte. Somit sah ich den ersten toten Menschen in meinem Leben. Sie lag dort so friedlich wie wenn sie schlafen würde aufgebahrt in der Lehmhütte. Nach Rückfrage von Michaela erfuhren wir, dass sie an Gelbfieber mit gerade mal 40 Jahren starb. Ich musste schwer schlucken, habe ich mich doch erst vor 14 Tagen für nur 60 € impfen lassen.
und hier forderte es ein Menschenleben…..
Die Oma erzählte uns, dass vier ihrer sechs Kinder bereits verstorben seien. Auch Lavenders Mutter war eines der verstorbenen, sie starb als Lavender noch ein kleines Mädchen war. Wie schlimm muss es als Mutter sein, so viele Kinder vor sich gehen zu sehen.
Vor der Lehmhütte waren ca. 50 Menschen versammelt und unterhielten sich. Auch wir bekamen zwei Stühle angeboten. Wir stachen aus der Menge heraus mit unserer hellen Hautfarbe und wurden von allen Seiten neugierig aber freundlich beäugt. Schmunzelnd stellten ich und Michaela fest, dass wir irgendwie unnatürlich aussahen in dieser Umgebung. Die Afrikaner sahen umwerfend aus in ihrer bunten farbenfrohen Kleidung die einfach fantastisch an ihnen aussah. Die Zeremonie selbst war sehr interessant. Es wurde gelacht, gebetet und auch lauthals getrauert. Anschließend wurde der Leichnam im Garten, neben dem Wohnhaus der Familie beerdigt. Unvorstellbar im ersten Moment neben den Überresten der Verwandten zu wohnen. Doch warum eigentlich, es ist die eigene Familie. Nur einer der wenigen Gedanken die mir immer wieder durch den Kopf gingen. Man hinterfragt plötzlich alles und sieht vieles in einem anderen Licht. Als wir ein Stück abseits uns nochmal das Geschehene verarbeitet und uns im Schatten ausruhten, kamen Kinder zu uns, die gerade auf dem Heimweg waren. Zuerst wurden wir mit Distanz hinter vorgehaltenen Händen beäugt, dann kamen sie kamen Stück für Stück immer näher. Als der Erste die Mutprobe überwand und uns anfasste war jegliche Hemmung wie weggeblasen. Nun waren wir regelrecht umzingelt von Schulkindern. Wir beschnupperten uns, machten Fotos und Michaela sagte zur allgemeinen Aufheiterung ein paar gelernte afrikanische Wörter.
… waren die restlichen Mädchen auch schon von der Schule zurück und wir aßen gemeinsam zu Abend. Michaela erkundigte sich nach den schulischen Leistungen, fragte nach Zukunftsplänen und ermahnte auch zur Achtsamkeit die Bildung nicht auf die leichte Schippe zu nehmen. In meinen Augen fand sie den richtigen Grad zwischen Autorität und Freundschaft. Sie erklärte, dass es nicht auf ewig so sein wird wie im Mutter- Kind- Haus und sie bereit sein müssen wenn sie für sich selbst aufkommen müssen um nicht auf der Straße zu enden. Auch hier schossen mir viele Gedanken in den Kopf, wie sorgenfrei wir doch aufwachsen und uns solchen Herausforderungen nie stellen mussten. Auf die Jungendlichen und Kinder in Kenia genießen gerne Freiheiten und sind nicht immer motiviert. Nur leider haben sie nicht X-Chancen wie wir in Deutschland. Ein verfehltes Studium oder ein Schulabbruch bedeutet Armut. Es ist niemand da der sie auffangen könnte.
Die Mädchen tauten Stück für Stück auf, auch ich wurde herzlichst eingegliedert und bekam gleich eine neue Frisur. Es ist Tradition für die afrikanischen Frauen die Haare flechten zu lassen. Eines der Mädchen absolvierte daher eine Ausbildung zur Friseurin um sich später mal selbständig machen zu können. Nach einer kalten Dusche welche aus einem Schlauch in der Wand bestand fielen wir erschöpft mit vielen neuen Eindrücken ins Bett. Es war nur meist drückend heiß und die Schaumstoffmatratzen so dünn, dass man kaum schlafen konnte.
Die Vormittage ähnelten sich irgendwie alle. Die Mädchen, die zuhause waren putzten und wuschen die Wäsche. Die Kleidungsstücke die sie besaßen waren nicht viel, daher wurde jeden Tag gewaschen. Auch die Babys hatten Tagsüber nur Stoffwindeln. Somit war es unabdingbar täglich zu waschen. Jennipher und Lavender waren sehr reinlich somit stand putzen bei so vielen Mädchen auf engstem Raum täglich auf dem Plan. Michaela fragte die Mädchen ob eine Waschmaschine helfen würde und bekam zur Antwort:
„Ach da würden wir doch faul werden!“
Es war ein Ritual für die Mädchen. Sie halfen alle zusammen, jeder hatte seine Aufgabe und es wurde sich unterhalten gesungen und gelacht. Auch wir beteiligten uns beim Wäschewaschen und es ist tatsächlich noch anstrengender als es aussah. Die Mädels freute es sichtlich uns im Wäschewaschen zu unterrichten. Was für ein schönes Zusammenleben dachte ich mir und so manches Mal offenbarte sich auch der Preis den wir für alles bezahlten. Unser Sozialleben ist viel verschlossener und es fühlte sich dort so frei an.
Da sich nicht alle Mädchen im Mutter-Kind-Haus aufhalten und dies immer nur für einen bestimmten Zeitraum angedacht ist, machten wir uns jeden Tag auf um ein paar Mädchen und deren Schule zu besuchen. Auch war es uns wichtig mit deren Lehrer/-innen und den Rektoren zu sprechen um uns über den Fortschritte der Mädchen zu erkundigen.
Afrikanische Kinder gehen ab 3 Jahren schon zur „Babyschool“. Dort fanden wir putzige kleine Würmchen in Schulunifomen vor. Die Lehrer waren herzlich und versammelten die kleinen allesamt auf dem Schulhof um uns ein Willkommensständchen zu singen. Anschließend ließen sie uns den Unterricht filmen. Trotz des Alters kamen mir die Kinder äußerst diszipliniert vor, es gab keine Zwischenrufe und alle arbeiteten fleißig mit. Die Schulen der Mädchen waren sich sehr ähnlich. Natürlich spielt vieles auch draußen ab.
Für die mitgebrachten Schulranzen hatten wir uns eine staatliche Schule ausgesucht. Da dort auch ärmere Kinder untergebracht wurden und wir die größere Notwendigkeit dort suchten. Lavender bat die Schulleiterin uns die bedürftigsten Kinder zu bringen. Wir überließen ihr die Verteilung der Schulranzen da es natürlich auch bei den Schulranzen Unterschiede gab. Lavender war eine Wucht und verteilte fair nach Schulleistung. Selten habe ich eine solche Freude über ein Geschenk bei unseren Kindern erlebt. Sie waren schlichtweg dankbar und ein bisschen überwältigt.
Michaela verbrachte noch etwas Zeit mit einem unserer Mädchen „Mary“ an dieser Schule. Sie kannte Mary schon als ganz kleines Mädchen und sie lag ihr aufgrund der traurigen Geschichte sehr am Herzen. Mary kam als Waisenkind zu ihrer Tante, doch hier begann auch leider Marys Leidensweg. Br. Joseph fand sie damal in einem lebensbedrohlichen Zustand im Straßengraben mit einer verstümmelten Hand und gab ihr einen Platz im damaligen Waisenhaus. Bis heute hat sie Probleme mit der Hand und ist emotional sehr gefangen. Solche Schicksale und das warum treffen einen schwer und sind in Kenia leider Alltag. Sie geben aber einen die nötige Motivation um genau so ein Projekt wie Alpha-Care-Kenya in Leben zu rufen. Wie schön wenn man sieht das solche Geschichten eben nicht ein Tropfen auf den heißen Stein sind, sondern die Rettung eines Menschenlebens beinhalten in diesem Fall Marys Leben und Zukunft. Ihrer Lehrerin hat sich ein paar Wochen später nochmals gemeldet und uns mitgeteilt, dass Mary seit unserem letzen Besuch befreiter ist und wieder lächelt.
Jeder unserer Tage in Kisumu prägte mich und ich gewann so viele Eindrücke. Zwar konnte ich mich nie ganz an die Aufmerksamkeit gewöhnen die es mit sich zog als Weiße dort herum zu laufen, doch die Offenheit und der Umgang mit dem harten Leben inspirierte mich. Zu keinem Zeitpunkt fühlte ich mich unsicher oder irgendwie gefährdet. Unsere täglichen Fahrten tätigten wir mit sogenannten „Mutatus“ Kleinbusse, in die man so gut wie immer einsteigen konnte. Es gab einen Fahrer und einen der die Menschen akquiriert einzusteigen, Auskünfte über die Fahrtziele gibt und gleichzeitig abkassiert. Auch hier wurde von uns niemals mehr genommen als von den Einheimischen. Am Anfang war es noch komisch, dass bis zu 20 Menschen eingeladen wurden und man regelrecht aufeinander saß. Doch zum Schluss gewöhnte ich mich auch daran und empfand es als äußerst amüsant wie viele Menschen; Hühner und Gepäck mit einem Auto befördert werden konnten. Ein eigenes Auto ist in Kisumu purer Reichtum. Auch hier der Gedanke, dass unsereins meistens bereits zum 18ten Geburtstag bereits sein erstes Auto fährt.
Jenniphers Sohn Peter studiert an einer Universität in Bondo, welche ungefähr 2 Stunden von Kisumu entfernt ist. Michaela wollte auch ihn besuchen und seinen Alltag dokumentieren. Bereits am Vortag war Jennipher sehr nervös und gab uns nicht so recht Auskunft über den Grund. Schließlich suchte sie das Gespräch zu Michaela und offenbarte ihr, dass sie sich die Reisekosten von rund 15 € nicht leisten konnte. Sie hatte ihren Sohn dort noch nie besucht und war umso glücklicher als Michaela ihr die Sorge um die Kosten nahm. Peter, Jenniphers Sohn, wartete schon auf uns und war sichtlich erfreut. Er führte uns durch die Universität, die nach all dem erlebten noch am ehesten unseren ähnelte. Abgesehen von den Schafen auf dem Universitätsgelände. Er studiert Lehramt und lebt auch nahe der Universität. Sein Zimmer, welches er mit einem Kommilitonen teilte, besteht aus zwei Matratzen mit Leinen abgetrennt. Jennipher ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern. Ihr Mann verstarb noch als Peter sehr klein war, somit kommt sie alleinig für die Gebühren an der Universität auf. Ein schwieriges Unterfangen, Peter musste aus Geldmangel auch schon sein Studium unterbrechen. Die Semesterferien verbringt er bei seinen Großeltern. Es war schön und traurig zu gleich zu sehen wie viel Jennipher der Besuch bedeutete. Für uns ist es normal sein Kind zu besuchen oder gar zu sehen, doch wissen wir dies zu schätzen?
Nach spätestens diesem Tag sah man uns die Strapazen auch deutlich an. Tag ein Tag aus waren wir immer auf dem Sprung, kaum Zeit fürs Essen und Soda-Abhängig, die es am jeden kleine Kiosk an der Straße gab. Michaela und ich witzelten ständig darüber wie stark wir doch in so wenigen Tagen gealtert sind. Tatsächlich setzten uns das Klima und insbesondere die starke UV-Belastung sichtlich zu. Umso beeindruckter war ich von den Menschen die den ganzen Tag bei dieser Hitze arbeiteten und beispielsweise riesige Obstkörbe auf dem Kopf balancierten.
Auf einer TucTuc-Fahrt sah ich einen jungen Mann mit einem deutschen abgetragenen Fußballtrikot mit der Aufschrift „Jennifer“ Nummer 30. Mir wurde klar, hier landen viele unserer abgegebenen Kleidungsstücke. Die Mädels berichteten mir bereits, dass sie ausschließlich gebrauchte Kleidung kaufen. Neue Kleidung zu kaufen ist unüblich und meist zu teuer. Die Kleiderspenden werden nicht kostenlos verteilt. Die Menschen kaufen in großen Säcken die Kleiderspenden und verkaufen diese auf den Markt anschließend weiter. Somit haben sie einen Verdienst und Arbeit. Ein eigene Textilindustrie in Kenia wird sich so nicht etablieren.
Michaela hatte einen Aufklärungsabend für die Mädels auf der Agenda. Thema: Sexualität und HIV/AIDS Prevention. Das Leben afrikanischer Mädchen wird durch die Stellung der Frau erschwert. Viele Mädchen werden ausgenutzt und gerade durch attraktive Gegenleistungen überredet sexuelle Leistungen zu erbringen. Natürlich sind dies, genau wie bei uns, Teenager die ihre Sexualität gerade erst erfahren und entdecken. Daher war es Michaela sehr wichtig Aufklärungsarbeit zu betreiben und die Mädchen vorzubereiten. Mehrere wurden in der Vergangenheit auch ungewollt schwanger und sollten, nicht als Vorbild anderer fungieren. Michaela zeigte einen Film über HIV. Wie gebannt sahen die Mädchen sich den Film an und man sah, dass sie dies mit Interesse und Ernsthaftigkeit an der Sache taten. Anschließend symbolisierten wir die Leichtigkeit der Ansteckung mit einem kleinen Spiel. Die Mädchen kamen aus sich heraus und wir sprachen über die weibliche Sexualität, Verhütung, Enthaltsamkeit. Die Mädchen hatten viele Fragen und man merkte, dass dieses Thema für sie nicht leicht war. Gruppenzwang oder drängen der Männer waren die Hauptgründe intim zu werden.
Sexuelle Ausbeutung und Teenagerschwangerschaften bleiben ein schweres Thema. Wir versuchen die Mädchen/junge Frauen weitestgehend auf ihr Leben vorzubereiten. Leider haben die Frauen in Kenia nicht den Luxus wie die meisten Frauen in Deutschland über ihren Körper selbst zu bestimmen.
An einem weiteren Abend hielt Michaela eine Rede über Motivation und vermittelte Werte die für die Charakterbildung wichtig sind. Die Mädchen lasen abwechselnd das Märchen der Gebrüder Grimm „Frau Holle“, danach konnte sich jeder dazu äußern. Es gab Einzelgespräche um noch mal auf jedes einzelne Mädchen einzugehen. Es ist wichtig die Mädchen immer wieder zu stärken, dass sie ihre Position, den Weg den sie gehen nicht verlassen und an sich glauben lernen. Ihre Fähigkeiten entwicklen und eine Vision erarbeiten.
Als sich die Reise langsam dem Ende zu neigte, waren wir zwar rein körperlich gesehen froh. Unsere Haut rebellierte regelrecht gegen die UV-Strahlen. Doch mental sind wir eingetaucht in diese Welt. Wir waren nie alleine, da die Geselligkeit der Menschen und auch der Mädchen Balsam für die Seele war. Wir hatten zum Leid unserer engsten kein Handyempfang und kein Internet über den gesamten Zeitraum. Doch haben wir es vermisst? Mir ist erst nach einer Woche bewusst geworden, dass im Haus kein TV war. Er war aber auch nicht nötig, da der Raum durch Unterhaltungen gefüllt wurde. Am Tag unserer Abreise trugen die Mädchen unsere Koffer zum Matatu. Typisch afrikanisch teilweise auf dem Kopf. Viele Menschen auf der Straße winkten uns. Wir waren natürlich nicht unauffällig und irgendwie gehörten wir wohl ein wenig dazu. Es freute uns wie herzlich die Menschen uns verabschiedeten.
Zurück in Nairobi erinnere ich mich noch an eine Situation. Michaela ist kurz weggegangen und es war schon dunkel. Ein Mann kam auf mich zu und ich hatte ein komisches Gefühl als er sich mir näherte und zielstrebig auf mich zuging. Er sah mich an lächelte und sagte:
„Happy Valentinesday“
Anschließend ging er weiter zu seinem Bus….
Zurück in Deutschland war es erstmal eine Umstellung. Noch nie war ich nach so wenigen Tagen so durch den Wind. Ich sah alles mit anderen Augen. Den Münchner Flughafen, die Toiletten selbst das Auto meiner Eltern die uns abholten. Ich bin natürlich froh hier zu leben. Doch nach dieser Reise habe ich dennoch mein Bewusstsein über unseren Lebensstandard verschärft. Die Geselligkeit und Unkompliziertheit der Kenianer fehlt mir allerdings. Ich kann mich noch an die Frage eines der Mädchen erinnern: „ Was macht ihr denn den ganzen Tag allein in euren Wohnungen?“ Ja was machen wir dort?
Einen großen Dank an meine Freundin Michaela. Wir sind uns in Afrika noch näher gekommen wenn nicht sogar auf die Pelle gerückt. Ich bewundere dich für dein Engagement und deine Stärke. Nicht viele Menschen sind zu solchen Taten fähig. Es war ein unglaubliches Erlebnis welches ich niemals vergessen werde. Wir hatten viel Spaß und trotzdem haben wir den Ernst und das Ziel im Auge behalten. Danke, dass ich ein Teil sein durfte.